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Die Anwesenheit von Bundespräsident Alain Berset auf einem Love Mobile an der Zürcher Street Parade sorgt für leichte Kontroversen, vor allem in der Deutschschweiz. Die Zigarre, die Bierdose, die er getrunken hat und die, die jemand nach ihm geworfen hat. Der Super-Puma-Helikopter, der ihn von seinem Haus zur Techno-Party flog. Es ist der endgültige Abgesang einer schwachen Presse, die nicht in der Lage ist, über die wirklich wichtigen Themen zu berichten.

 

Am 12. August wählte Alain Berset den Tages-Anzeiger, um in einem Gastbeitrag zu erklären, warum er als erster Bundesrat der jüngeren Geschichte an der Street Parade teilnahm. "Aber wie?", werden sie sich beim Blick gefragt haben: "Nach allem, was wir während der Pandemie für ihn getan haben, schreibt er jetzt für die Konkurrenz?". So ist das mit der Politik: Sie vergisst schnell ihre Freunde.

In der heutigen Ausgabe versucht der Blick einen Anflug von verletztem journalistischen Stolz und kann der Versuchung nicht widerstehen, die Nachricht zu zitieren, die das Portal Nebelspalter zuerst gemeldet hat: Berset ist mit einem Super-Puma-Helikopter nach Zürich geflogen. Kosten des Fluges: über zehntausend Franken.

Alle Liebesgeschichten enden früher oder später. Auch jene zwischen Politikern und "Journalisten".

Sie enden schlecht, sehr schlecht, wenn sich der Journalismus als das schwache Glied in der Kette, also in der Beziehung, erweist.

Es ist ein untrügliches Zeichen für einen schwachen, ja widerstandslosen Schweizer Journalismus, dass er sich für die Anwesenheit des Bundespräsidenten an Bord eines Love-Mobils mit einer roten Boje um den Hals interessiert.

Na und? Was soll's?

Nur wenige Tage sind vergangen seit dem Samstag, dem Tag der Zürcher Street Parade, die im Vergleich zu derjenigen in Berlin ein Picknick von Schulkindern in Begleitung ihrer Lehrer ist, diesmal komisch versüßt durch die Anwesenheit des Bundespräsidenten, sogar dadurch ein wenig provinziell, wie es gute Schweizer Tradition ist.

Heute sind wir hier, alle zusammen, und rechnen mit den Krankenkassenprämien, die zum x-ten Mal in die Höhe schnellen (bis zu 10% im Tessin). Als ob es kein Morgen gäbe. Quetscht uns aus, quetscht uns aus: gleich Zitronen!

Die Frage, die die Presse Minister Alain Berset stellen sollte, ist nicht die, warum er beschlossen hat, an der Loveparade teilzunehmen. Wen interessiert das schon. Es steht ihm völlig frei, dies zu tun.

Die Frage ist: Warum konnte das Departement, dem er (noch...) vorsteht, diese neue Belastung der Schweizer Bevölkerung nicht verhindern?

Es gibt noch viele weitere Fragen. Sie haben ihre Wurzeln in der Zeit der Pandemie. Nicht einmal diese wurden jemals von dem schwachen Glied in der Kette, den Medien, formuliert. Sie hätten es aber verdient: Sie wären der Speicher des Gedächtnisses gewesen, von dem sich ein Politiker, der sich etwas anderem widmen will, nicht trennen kann (Herr Berset wie jeder seiner Kollegen).

Journalismus ist eine sehr einfache Aufgabe: Man muss nur keine Angst haben, sie in Gegenwart dieses oder jenes Politikers zu erledigen.

Wenn man Angst hat, ist es nur schwacher Journalismus.

(gianluca grossi)